Dieses Projekt verdankt sich einem Zufall, sozusagen einem akustischen Unfall. Hätte ein Abend im Mai 2001 einen anderen Verlauf genommen: La Défense - stage urbain wäre gar nicht entstanden. Aus reiner Neugier verbrachte Michael Rüsenberg die letzten Stunden eines Paris-Aufenthaltes in La Défense, der hypermodernen Vorstadt am westlichen Seine-Ufer.

Ein warmer Frühlingsabend, kurz vor Mitternacht, wenige Leute kreuzen den riesigen Platz vor Grand Arche, dem grossen Bogen. Wir steigen die Treppe hinauf, nehmen Platz und können die Szenerie geradezu inhalieren: Wolkenkratzer ringsum, illuminiert wie Weihnachtsbäume, Rolltreppen befördern quietschend und klagend Passanten aus der Metro, ohne jede Ahnung des Dramas um sie herum...es hatte mehrere Tage nicht mehr geregnet, die Handläufe der Rolltreppen sind trocken, sie singen wundersame Melodien in den Nachthimmel: so schauerlich schön, dass Rüsenberg sie aufnimmt. Als schliesslich die Klimaanlage ausatmet - der Recorder läuft glücklicherweise immer noch - beschliesst er,
an diesen Ort zurückzukehren, um die Klanglandschaft noch detaillierter aufzuzeichnen.

Bei späteren Besuchen freilich - der Alptraum eines Soundscape-Komponisten - klingt alles anders: die Maschinen tun sehr wohl ihren Dienst, aber nahezu geräuschlos. Rüsenberg findet andere Klangorte, sie alle sind hier versammelt: le petit train La Défense, die Rolltreppen, die Betonplatten, die Klimaanlage und andere Sounds, alle aus La Défense.

Aber Vorsicht: La Défense - Stage urbain debattiert weder Pendlerverkehr noch moderne Stadtplanung, es ist nicht einmal dokumentarisch im engeren Sinne. Es ist eine Komposition, gewonnen aus Klängen, die ein jeder vor Ort auch hören kann (wenn er sie denn wahrnehmen will), sei er aus beruflichen oder touristischen Interessen dort.

Wie RealAmbient Vol 1 (Roma - a soundscape remix) verfügt auch La Défense - Stage urbain über eine Remix-Abteilung. Soundscape Komposition ist nicht zuletzt ein Genre, das sich aus persönlichen Impressionen speist. Dieser Überlegung wird hier Raum gegeben durch vier weitere Perspektiven, vier Ohrenpaare, die mit dem Objekt vertraut sind. Drei Remixer wohnen in Paris: Steve Argüelles, Eric La Casa und Benoît Delbecq. Ned Bouhalassa lebt in Montreal, ist aber in Le Mans geboren.

Jeder Remixer erhielt 76 Soundfiles (sowohl unbearbeitete als auch transformierte Klänge) - aber kein Original, an dem er sich orientieren konnte. Insofern kann man die Remixes eher verstehen als Variation über Inhalt denn über Form, nämlich das La Défense, das Michael Rüsenberg gehört und aufgenommen hat.

audio
NED BOUHALASSA

ERIC LA CASA

MICHAEL RÜSENBERG


distribution
France: www.metamkine.com
UK: www.babellabel.co.uk
US: www.earthear.com